08/09
SEEKÜHE: Bedrohte Grazien – Neugierig, behäbig und zutraulich sind die ca. 4000 Manatis in den Küstengewässern von Florida, denn sie haben keine Fressfeinde zu fürchten. Auch der Mensch jagt sie nicht, aber er fährt Motorboote mit scharfen Propellern, die die Seekühe immer wieder so schwer verletzten, dass sie jämmerlich eingehen. Viele tragen Narben von Bootskollisionen an sich, am häufigsten an der Schwanzflosse. Kajakfahrer, Taucher und Schnorchler umlagern die Seekühe an den bekannten Manati-Treffpunkten. Die Seekühe haben eine Vorliebe für Haut und Kraut: Manche sind ganz extrem versessen auf Streicheleinheiten durch Taucher. Füttern lassen sie sich dabei am liebsten mit Salat. Die Jungtiere bleiben knap 2 Jahre bei der Seekuh-Mutter
SAO PAULO: Leben in 01066-900 – Anfangs ein gefeiertes Architektur-Projekt, dann Treffpunkt von Drogenhändlern und Prostituierten, dank Eigeninitiative der Mieter nun wieder eine gute Adresse: der `Copan´, das größte Wohnhaus der Welt. 1160 Wohnungen, 5000 Bewohner und eine eigene Postleitzahl – eine Kleinstadt in der Metropole, eine Mischbatterie der sozialen Gruppen und eine kühne geschwungene Trutzburg für Träume und Träumer in Brasilien
MAROKKO: Botinnen einer neuen Zeit – Sensation in Marokko: Der König entsendet korankundige Frauen, damit diese in seinem Reich die Lehren eins sanften Islam verbreiten. Die spirituellen Führerinnen, `Mourchidate´ genannt, sollen Toleranz statt Hass predigen. Aber wie erfolgreich können sie sein in einer Gesellschaft von konservativer Kultur, in der das Wort der Männer zählt und sonst eigentlich nichts? Ihre Zuhörer sind in der Regel Zuhörerinnen: Frauen, die bis dahin nur auf das Wort Ihres Ehemanns gehört haben. Diese Revolution ist nicht laut, mehr ein Wispern und Flüstern von Frau zu Frau. Auch die Frauen des Propheten Mohammed waren Lehrerinnen. Diese Tradition ist aber vergessen – fast. Problem: Dem sanften Islam des Königs von Marokko misstrauen viele, weil sie vom Staat eigentlich nichts Gutes gewohnt sind
BIODIVERSITÄT: Was die Wald-Formel sagt – Weshalb gedeihen in den Tropen so viele Baumarten? Der US-amerikanische Ökologe Stephen Hubbell provoziert mit einer ungewöhnlichen Theorie. Es ist eines der größten Rätsel der Biologie: Warum leben in den Urwäldern und Regenwäldern in den Tropen und Subtropen so viel mehr Pflanzen und Tierarten als im kühleren Norden und Süden? Für viele Kollegen sind seine Theorien hierzu Frevel, aber sie müssen auch zugeben, dass er sich auf den größten Wald-Zensus stützt, bei dem Millionen von Bäumen akribisch gezählt werden – immer wieder, seit fast 30 Jahren. Gezählt wird exemplarisch auf Barro Colorado Island in Panama, in Yasinu (Ecuador), Wytham Woods (England), Korup (Kamerun), Huai Kha Khaeng (Thailand) und Lambir (Malaysia)
MEDIEN-ZUKUNFT: Die Revolution des Lesens – Bilder vom Glück der Lektüre. Das Ende der Buchkultur und die Vision von einer `kommunikativen Welt´. Das wird es auch morgen noch geben: Menschen, die ein Buch aufschlagen, um darin zu versinken, um Texte vom Anfang bis zum Ende zu verfolgen. Doch Internet und E-Book verändern die Art, wie wir lesen. Die digitalen Medien verwandeln uns in Überflieger, die Texte nach Info-Bits filtern. Verlernen wir so das Denken? Oder werden wir klüger? Seit den Zeiten der Keilschrifttafeln bei den Sumerern wurden auf der Welt mindestens 32 Millionen Bücher publiziert, 750 Millionen Artikel geschrieben und inzwischen schon über 100 Milliarden Websites veröffentlicht. Laut Pisa-Studie besaß 2006 nur jeder fünfte 15-jährige in Deutschland zumindest rudimentäre Lesekenntnisse. Fast 50 Prozent der Eltern von Erstklässlern lesen ihren Kindern selten oder nie etwas vor. Mit sechs sind alle Kinder neugierig auf Buchstaben, mit zwölf lesen die meisten nur noch, wenn sie müssen: Jedes dritte Kind findet dann Bücher schlicht und ergreifend zum Kotzen. Pädagogen und Politiker müssen hier gegensteuern, müssen die Formen der Bildung überarbeiten. Weltweit können 800 Millionen Erwachsene nicht lesen und nicht schreiben: 16 Prozent der Erdbevölkerung. Zwei Drittel der Analphabeten sind Frauen. Laut Studien in den USA gehört die Zukunft dem E-Book: Die Umsätze mit dem neuen Medium werden 2012 voraussichtlich auf 7 Milliarden US-Dollar ansteigen
KÜNSTLICHES LEBEN: Die Gottes-Maschine – Das Leben ist kein schlechtes Konzept, aber verbesserungswürdig. Pioniere der synthetischen Biologie setzen alles daran, der Natur Konkurrenz zu machen:
Regensburg: die Firma Geneart stellt mit Pipettier-Robotern und Thermo-Cyklern Rohstoffe für Kunstwesen her: synthetische DNS-Schnipsel, lieferbar mit beliebigem Code. 2000 Gene kann Geneart pro Monat liefern. Die verpackten DNS-Stücke sind jahrelang haltbar. Im Kühlschrank im Werk selbst lagern Milliarden verschiedene Gen-Schnipsel
Boston, Harvard Medical School: Im Labor brüten Forscher nie zuvor Gedanken aus und entwerfen Verfahren, um den Codec des Lebens in bisher unerreichter Geschwindigkeit verändern zu können. Alles ist Handarbeit: Hunderte von Genmanipulationen werden seit Jahren vorangetrieben. Ziel ist der echte Schöpfungsakt im Labor
außerdem:
- Satellitenschüssel: Meinungsvielfalt in Syrien aus dem Orbit
- Computerbildschirme: Recycling von Röhrenmonitoren
- LAN-Party: 4 Tage in Jönköping, Schweden
- Leserfoto: Kinder in Morogoro, Tansania
- Astronomie: Thomas Harriot hat vor Galileo Galilei die Erde kartographiert
- Kunst: Alltagsgegenstände im Computertomografen
- Foto: Großstädte in Asien
- Insekten: ferngesteuerte Käfer mit Elektroden und Funkempfänger
- Optik: Sehhilfen für Arme mit mühelos anpassbarer Seestärke
- Ästhetik: Tauben lernen den Vergleich zwischen der Qualität von Bildern
- Mathematik: Simulation der Sonnenflecken-Entstehung
- Materialforschung: ökologischer Beton mit weniger Kohlendioxid-Freisetzung bei der Herstellung
- Archäologie: Entwicklung der islamischen Schrift im Koran
- Medizin: Die Wundermittel gegen Grippe werden wirkungslos
- Physik: Schlangen-Fortbewegung
- Paläontologie: Knochenfunde am Grund der Nordsee
- Linguistik: Mäuse bekommen das Sprachgen des Menschen eingepflanzt
- Geologie: Vulkan `Sarytschew´ auf den Kurilen
- Kognition: Hämmern bei Licht und im Dunkeln
- Statistik: Wahlfälschung feststellen durch mathematische Analysen
- Medizin: Früherkennung von Schüttellähmung, Ultraschall entlarvt Parkinson
